Überbringer schlechter Nachrichten

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute möchte ich ein Thema ansprechen, das uns allen nicht leicht fällt: schlechte Nachrichten überbringen. Viele von uns denken vielleicht: »Warum sollen wir uns den schwarzen Peter zuschieben lassen? Das kann doch der Arbeitgeber machen!« Aber genau diese Einstellung birgt Gefahren – nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen, sondern auch für unsere Glaubwürdigkeit als Betriebsrat.

Ich möchte euch ein Beispiel erzählen: Gute Bekannte von mir haben ihr ganzes Geld zusammengekratzt und einen Kredit aufgenommen, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Kurz danach wurde ihr Betrieb verlagert. Und wisst ihr, wer das schon vorher wusste? Der Betriebsrat! Aber er hat geschwiegen und sie ins offene Messer laufen lassen. Was glaubt ihr, wie diese Menschen danach über den Betriebsrat gedacht haben? »Alle in einen Sack …«

Warten wir darauf, dass der Arbeitgeber etwas sagt, passiert oft gar nichts. Der freut sich über die Ruhe und hält die Belegschaft bis zum letzten Moment im Unklaren. Er kennt das alte Management-Sprichwort »Wenn die Hühner wüssten, dass sie morgen geschlachtet werden, würden sie heute keine Eier mehr legen«. Am Ende sind alle überrascht und es ist zu spät, um noch effektiv zu reagieren. Aktionen oder Widerstand? Fehlanzeige!

Management-Weisheit: Wenn die Hühner wüssten, dass sie morgen geschlachtet werden sollen, würden sie keine Eier mehr legen.
Natürlich gibt es Situationen, in denen wir nur Gerüchte hören oder unsicher sind. Aber auch dann sollten wir nicht einfach den Kopf in den Sand stecken. Klar, wir müssen verantwortungsvoll mit Informationen umgehen und keine falschen Behauptungen verbreiten. Aber ist es nicht sinnvoll, den Arbeitgeber direkt zu fragen und Klarheit zu schaffen? Und wenn sich dann herausstellt, dass doch nichts dran ist – umso besser!

Manchmal hören wir auch: »Es ist doch noch gar nicht spruchreif!« Aber genau hier liegt das Problem. Wenn etwas erst offiziell »spruchreif« wird, ist es oft zu spät, um noch Einfluss zu nehmen. Wenn Entscheidungen bereits getroffen wurden, können wir sie selten rückgängig machen.

Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist der Umgang mit Kündigungen. Ich habe oft erlebt, dass Betriebsräte die Angaben des Arbeitgebers einfach so hinnehmen, ohne die Betroffenen zu befragen. Das ist ein großer Fehler. Aus Erfahrung kann ich sagen: Wenn ich mit den Betroffenen spreche, sehe ich die Situation oft in einem ganz anderen Licht. Selbst wenn die Fakten auf den ersten Blick klar erscheinen, lohnt es sich immer, alle Seiten zu hören. Nur so können wir fundierte Entscheidungen treffen und notfalls gut begründet Widerspruch einlegen.

Übrigens, das Betriebsverfassungsgesetz gibt uns da auch recht: § 102 sieht ausdrücklich vor, dass wir als Betriebsrat vor einer Kündigung mit den Betroffenen sprechen sollen. Wird das regelmäßig unterlassen, kann das sogar zu einem Amtsenthebungsverfahren nach § 23 führen – und das wollen wir doch alle vermeiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe ist es, für die Belegschaft da zu sein – auch wenn es unangenehm wird. Schweigen wir oder warten wir zu lange, schaden wir nicht nur den Kolleginnen und Kollegen, sondern auch unserer Glaubwürdigkeit. Lasst uns den Mut haben, die Dinge frühzeitig anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Vielen Dank und bis bald!
Herzliche Grüße
Euer Peter Müller