Betriebsänderung - Interessenausgleich - Sozialplan
Aktuell kommen Betriebsänderungen häufig vor, ohne dass sie von Betriebsräten wahrgenommen werden. Welche Rechte und Instrumente haben Betriebsräte? Ein Überblick:

Voraussetzungen einer Betriebsänderung

Laut § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) setzt eine Betriebsänderung voraus, dass wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft entstehen können. Ob ein erheblicher Teil betroffen ist, richtet sich nach den Schwellenwerten des § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG):

  • 21–59 Beschäftigte: mehr als 5 Arbeitnehmer
  • 60–499 Beschäftigte: 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmer
  • 500–599 Beschäftigte: mindestens 30 Arbeitnehmer
  • Ab 600 Beschäftigte: mindestens 5 % der Arbeitnehmer

Bitte verwechselt diese Werte nicht mit denen aus § 112a BetrVG.

Was gilt als Betriebsänderung?

Typische Beispiele für Betriebsänderungen sind im § 111 BetrVG Nr. 1-5 genannt. Allerdings ist das keine abschließende Aufzählung. Jedoch werden bei diesen Beispielen automatisch wesentliche Nachteile als gegeben unterstellt. Häufig übersehen Betriebsräte, dass auch grundlegende Änderungen von Organisation oder Betriebsanlagen und grundlegend neue Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren eine Betriebsänderung darstellen können. Ein reiner Betriebsübergang nach § 613a BGB ist für sich alleine genommen keine Betriebsänderung, aber es ergeben sich häufig Maßnahmen einer Betriebsänderung daraus. Ein Betriebsteilübergang jedoch ist immer eine Betriebsänderung.

Unternehmen wenden manchmal eine sogenannte »Salami-Taktik« an, um unbemerkt geplante Änderungen in mehreren kleinen Schritten durchzuführen, die aber real zu einem Schritt zusammengehören. Entscheidend ist die einheitliche unternehmerische Planung.

Im Fall einer Betriebsänderung sind Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan zu führen.

Interessenausgleich

Der Interessenausgleich regelt das »Ob«, »Wann« und »Wie« einer geplanten Maßnahme. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat bereits während der Planung einer Betriebsänderung vollständig und detailliert informieren, nicht erst am Ende der Planung oder bei fertigen Entscheidungen. Der Interessenausgleich ist bei fehlender Einigung in der Einigungsstelle zu verhandeln. Er ist jedoch nicht über die Einigungsstelle erzwingbar. Scheitern die Verhandlungen auch in der Einigungsstelle, so kann der Arbeitgeber handeln.

Der Betriebsrat kann ab 300 Arbeitnehmern im gesamten Unternehmen (nicht nur im Betrieb!), ohne Zustimmung des Arbeitgebers externe Berater hinzuziehen.

Die Inhalte des Interessenausgleichs sind für die Arbeitnehmer nur rechtsverbindlich, wenn im Interessenausgleich geregelt wird, dass die Regelungen den Charakter einer freiwilligen Betriebsvereinbarung haben.

Sozialplan (SP)

Der Sozialplan dient dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile für die Beschäftigten. Typische Inhalte sind:

  • Abfindungen
  • Umzugs-, Fahrtkosten- und Trennungskostenentschädigungen
  • Überbrückungsgelder
  • Beihilfen für Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen
  • Sonderfonds für soziale Härtefälle, usw.

Ein Sozialplan hat die rechtliche Wirkung einer Betriebsvereinbarung und ist, im Gegensatz zum Interessenausgleich, über die Einigungsstelle erzwingbar.

In bestimmten Fällen wird der Interessenausgleich vom Gesamtbetriebsrat verhandelt. Der Sozialplan wird jedoch grundsätzlich vom (örtlichen) Betriebsrat verhandelt. Während des Austauschs mit dem Arbeitgeber wird zwischen Informationsphase und Verhandlungsphase unterschieden. Der Betriebsrat sollte immer darauf bestehen, dass zunächst die Informationsphase wirklich vollständig abgeschlossen wird, bevor die Verhandlungsphase beginnen kann. Das kann zu deutlichen Verzögerungen bei der Umsetzung der Betriebsänderung führen, wenn nicht alle Informationen hinreichend detailliert und klar vorgelegt wurden und immer wieder nachgefordert werden müssen.

Der Arbeitgeber will meist schnell Klarheit über den Interessenausgleich (z.B. Werksschließung, Abbaupläne), denn der Arbeitgeber kann nach abgeschlossenem Interessenausgleich mit der Umsetzung beginnen. Er hat es mit dem Sozialplan nicht eilig. Der Betriebsrat sollte deshalb darauf achten, dass Interessenausgleich und Sozialplan aus taktischen Gründen immer gemeinsam verhandelt werden. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zum Interessenausgleich vom Abschluss eines Sozialplans abhängig machen. Der Sozialplan ist erzwingbar, der Interessenausgleich nicht. Der Betriebsrat kann damit einen Interessenausgleich aber nicht wirklich dauerhaft blockieren, da der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen kann, bevor der Sozialplan abgeschlossen wurde.

Der Betriebsrat kann dafür sorgen, dass der Sozialplan um so teurer wird, je weniger der Arbeitgeber die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt. Er hat eine »Steuerungsfunktion«, d.h. die finanziellen Lasten beeinflussen den Umfang der Betriebsänderung.

Bitte beachtet: Der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan ersetzt unter keinen Umständen die Rechte des (örtlichen) Betriebsrats bei nachfolgenden Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen. Die Verfahren nach den §§ 99 und 102 BetrVG sind trotzdem durchzuführen.

Namensliste im Interessenausgleich

Eine Besonderheit: Wird im Interessenausgleich eine sogenannte »Namensliste« oder z. B. ein Punktesystem vereinbart (§ 1 Abs. 4 und 5 KSchG), ist die Sozialauswahl bei Kündigungen vor Gericht praktisch nicht mehr angreifbar. Für die betroffenen Arbeitnehmer verschlechtert sich damit die rechtliche Position erheblich.

Sozialtarifvertrag

Neben diesen Regelungen kann ein Sozialtarifvertrag auch mit sehr weitreichenden Forderungen von der Gewerkschaft per Streik erzwungen werden. Die enthaltenen Regelungen gelten ausschließlich für Gewerkschaftsmitglieder.

Fazit

Für Betriebsräte ist es entscheidend, frühzeitig informiert zu werden und strategisch sowohl Interessenausgleich als auch Sozialplan miteinander zu verknüpfen. Nur so lassen sich Nachteile für die Belegschaft wirksam abfedern.